Der Besuch des IKT-Forums, der jährlich im Juli stattfindenden Fachtagung für IKT für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen an der Johannes Kepler Universität Linz, ist schon eine liebe Gewohnheit.
Der entlegene Linzer Uni Campus samt Ententeich ist noch da, die Kollegen und wenigen KollegInnen sieht man gerne (um ein Jährchen gealtert) wieder, auch bei den Vorträgen gibt es einige Déjà-vus, das Mensaessen ist richtiges Mensaessen wie früher, alles nett und entspannt.
Veranstaltet wird das IKT-Forum vom Kompetenznetzwerk KI-I. Universität, Pädak und LifeTool, Beratungsstelle für computerunterstützte Kommunikation, sind hier involviert.
So vielschichtig wie die Veranstalter ist auch das ambitionierte Programm: Zwei Tage lang, je vier Sessions parallel mit Schwerpunkten Technikeinsatz in der Pädagogik, barrierefreies Webdesign, Accessibility und Usability generell, Hör- und Sehbehinderung, Unterstützte Kommunikation, Barrierefreie Dokumente bis zu seniorengerechten Produkten und einigem mehr.
So unterschiedlich wie dieser Programm-Mix ist auch das Publikum. Wie geht man damit um als Vortragende/r und als Besucher/in? Viele Vortragende scheinen sich darauf einzustellen, dass nicht zu viel vorausgesetzt werden darf.
Auch wir lieferten einen Einführungsvortrag – zum Thema WAI-ARIA (Vortragsunterlagen Putzhuber/Stenitzer, PDF, 667 kb).
Obwohl WAI-ARIA nun schon ein paar Jahre herumgeistert, ist es doch für viele noch ein Mythos. Wirklich Erfahrung damit hat jedenfalls bei uns noch kaum jemand. Einsatz in Kundenprojekten ist nicht so einfach, solange der Standard noch nicht im Empfehlungsstadium und die Unterstützung durch Browser und Screenreader noch ein Experimentierfeld ist.
Die Anspruchsniveaus auf so einer hybriden Tagung sind unterschiedlich, bei Vortragenden und Besucher/innen. Wer schlau ist unter den Zuhörer/innen, bleibt nicht im ureigenen Track kleben, wenn er oder sie glaubt, schon Bescheid zu wissen, sondern nützt die Chance, in verwandte Fachbereiche hineinzuschnuppern, von denen man ja tatsächlich keine Ahnung hat. Ansonsten kann man leicht mit dem Gefühl nachhause fahren, trotz eines Megaangebotes auf einer recht kleinen, wenig aufregenden Tagung gewesen zu sein.
Das riesige Telefon ohne Hörer im Schlosspark ist ein schönes Bild für wohlgemeinte Botschaften, die nicht ankommen, weil Sender und Empfänger nicht zusammenkommen.
Dieses Jahr schienen mir einige Vorträge die Latte höher zu legen und den Spagat zu schaffen, neue, spannende Inhalte zu liefern und die Zuhörer/innen trotzdem auf verschiedenen Einstiegsniveaus abzuholen.
Ich war nur den zweiten Tag dort. Und schon der Plenarvortrag von Harald Pachler über seinen Werdegang als hochgradig Schwerhöriger und sein neues Hören mit Cochlea Implantat hat dazu angeregt, sich mit der Thematik näher auseinanderzusetzen.
Es gibt ebenso vehemente Befürworter/innen wie Gegner/innen dieser Hörprothese. Besonders Eltern von hochgradig schwerhörigen Kindern, die vor der Entscheidung zu einer Implantatsetzung stehen, brauchen ausgewogene Information, um ihr Kind in eine Richtung zu schicken: so weit wie nur möglich in die Welt der Hörenden, wo es trotzdem nie ganz dazugehören wird, oder in die Welt der Gehörlosen, die sich als eigene Sprachgemeinschaft betrachten und ihm vielleicht eine stärkere Identität geben könnten.
Der spannendste Vortrag fand sich im Track Hörbeeinträchtigung: „School system and school buildings in Finland – past and new innovations“. Das Architektenteam Seppo Markku und Anneli Hellsten präsentierte auf sehr charmante und begeisternde Weise seine Schulprojekte, die schön, großzügig und rundum durchdacht, den Bedürfnissen von Schüler/innen und Lehrer/innen gerecht werden, ob mit oder ohne Behinderung.
Zwei Vorträge aus der Session „Barrierefreies Webdesign“ hätte ich auch nicht versäumen wollen.
Eric Eggerts Präsentation – erst ein Abgesang auf den IE6, dann eine Einführung in HTML 5 berührte das Thema Barrierefreiheit nur am Rande, aber war mit Liebe gemacht.
Die Folien – was er da nicht alles reingepackt hat – gibt es auf Slideshare.
Martin Kliehm präsentierte WAI-ARIA Einsatz und das HTML 5 Canvas Element zur Verhübschung in namics Kundenprojekten. Seine fundierte Präsentation gibt es unter ARIA und HTML 5 im namics Accessibility Blog.
Das ist Pionierarbeit, und Kliehm scheut sich nicht davor, sie auch in ihrer noch nicht 100% perfekten Form zu zeigen und mit Engelsgeduld an die Lernfähigkeit von beteiligten Partneragenturen zu glauben.
Alles in allem war das also eine ergiebige Tagung. Praxisbezug, zeigen, woran man gerade arbeitet, Begeisterung und Liebe zum eigenen Tun und schlussendlich die Vermittlung der ganz persönlichen Erfahrung von Behinderung machen das IKT-Forum spannend. Viele Vortragsunterlagen sind bereits auf der Website verlinkt: www.iktforum.at.