Studie: Wirtschaftliche Bedeutung der Web Accessibility

Ein Gastbeitrag von Rudolf Hartjes.

In einem Projekt des Fachbereich eBusiness an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien wurden diverse Aspekte der wirtschaftlichen Bedeutung der Barrierefreiheit untersucht. Zum einen ging es dabei um die Motivation und Argumentation von Unternehmen die Barrierefreiheit auf Ihren Webseiten implementierten (oder auch nicht), zum anderen um die konkreten Veränderungen der Besucherzahlen, die eine Website erlebt, nachdem sie auf Barrierefreiheit „umgestellt“ wurde.

Entscheidungsträger entscheiden…

Mag. Marie-Luise Leitner untersuchte anhand mehrerer Interviews mit Unternehmen diverser Sektoren (Tourismus, Finanzdienstleistung, Information):

  • Gründe für die Implementierung von Barrierefreiheit
  • Veränderungen nach der Implementierung von Barrierefreiheit
  • Gründe für das Scheitern der Implementierung von Barrierefreiheit

So führten Unternehmen, die eine barrierefreie Website realisiert hatten vor allem Motivationen wie Differenzierung von Mitbewerbern und die positive Einstellung von Entscheidungsträgern zum Thema Barrierefreiheit an. Unternehmen, die keine Barrierefreiheit auf Ihren Webseiten implementiert hatten, beriefen sich großteils auf Vorurteile wie „Viele Menschen sind der Meinung dass Barrierefreiheit hässlich ist“ und argumentierten damit, dass die Einführung von Barrierefreiheit sich nicht mit der Coporate Identity vertragen würde. Auch hier zeigte sich, dass Schlüsselpersonen im Unternehmen einen essentiellen Beitrag hatten, wenn es darum ging, die Einführung von Barrierefreiheit zu verhindern.

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Aber auch das Gegenteil war der Fall. In Unternehmen, in denen die betroffenen Entscheidungsträger persönliche Erfahrungen mit Behinderungen und Barrierefreiheit gemacht hatten, war die Erstellung einer Barrierefreien Internetpräsenz ohne große Überzeugungsarbeit möglich. Ein weiterer Motivator für Unternehmen war die Furcht vor schlechtem Image. Vor allem im Bereich der Finanzdienstleister wurde eine barrierefreie Webpräsenz als Indikator für Vertrauenswürdigkeit verstanden:

Der Kunde wird sich sicher dann eher fur das Unternehmen entscheiden, das sympathischer ist oder das gesellschaftspolitisch verantwortlicher ist.

Es zeigte sich , dass vor allem Entscheidungsträger eines Unternehmens von der Bedeutung der Barrierefreiheit überzeugt werden mussten. Um diesem Vorhaben konkrete wirtschafltiche Zahlen zu liefern, beschäftigte sich der zweite Teil der Studie mit der Erfassung von Veränderungen in Besucheranzahl und -aktivität nach der barrierefreien Modifikation einer bestehenden Unternehmenswebsite.
Erfolgsmessung von Web Accessibility

Der von Mag. Rudolf Hartjes durchgeführte Teil der Studie betrachtete die Website eines typischen österreichischen Kleinunternehmens. So wurden diverse Metriken zur Erfassung von Besucheranzahl- und aktivität jeweils vor und nach der Einführung der Barrierefreiheit erfasst und analysiert:

  • Keywords (welche/wie vieleSuchbegriffe führten zur Website)
  • Visits (wie viele Besucher erreichte die Website vor und nach der Einführung der Barrierefreiheit)
  • Time on Site (Durchschnittliche Besuchsdauer)
  • Pages per Visit (PPV – Aufgerufene Seiten im Rahmen eines Besuches)
  • Bounce Rate (Anteil der Besucher, die die Website auf der ersten Seite gleich wieder verlassen)

Um die Auswirkung durch im Rahmen der Barrierefreiheit eingeführte zusätzliche Alternativinhalte auf die Indizierung durch Suchmaschinen zu analyiseren, beschränkte sich die Untersuchung auf jene Besucher, die über Suchmaschinen zur Website gelangten.

Ergebnisse

Die Analyse der gesammelten Daten zeigte eine positive Veränderung aller untersuchten Metriken nach Einführung der Barrierefreiheit. So gelangten nicht nur mehr Besucher pro Tag auf die Website (barrierefrei: 24,2 Besucher/Tag; nicht barrierefrei: 18,5 Besucher/Tag), sie blieben auch durchschnittlich länger (barrierefrei: 2 Min. 44 Sek; nicht barrierefrei: 1 Min. 35 Sek.) und waren aktiver (barrierefrei: 5,73 PPV; nicht barrierefrei: 4 PPV).

Bessere Indizierung – Mehr Besucher

Es wurde angenommen, dass diese Zunahme von Besucheranzahl und -aktivität vor allem auf eine verbesserte und umfangreichere Indizierung der Seiteninhalte zurückzuführen war. Es zeigte sich nicht nur eine vermehrte durchschnittliche Anzahl an Suchbegriffen unter denen die Website gefunden wurde (barrierefrei: 18,3 Keywords/Tag; nicht barrierefrei: 14,5 Keywords/Tag), die Keywords waren auch differenzierter. Das Spektrum der Suchbegriffe verbreiterte sich und wies mehr speziellere Keywords auf, was zwar weniger Besucher pro einzelnem Keyword brachte, aber in Summe zu einer Zunahme an Besuchern führte.

Ein Beispiel:

Die für diese Studie untersuchte Website des Unternehmen RUWA bietet Spielplätze und Aussenanlagen für Gemeinden und Privatpersonen an. Vor der Einführung der Barrierefreiheit wurde sie unter allgemeinen Suchbegriffen wie „Schaukel“ oder „Rutsche“ gefunden, nach Einführung der Barrierefreiheit unter Suchbegriffen wie „Nestschaukel“, „Hangrutsche“ oder „Kurvenrutsche“.

Es wird angenommen, dass diese Differenzierung und Ausdehung des Keyword-Spektrums durch die Einführung von Alternativinhalten und Bildbeschreibungen erreicht wurde, die das Unternehmen dazu „zwang“, ihre Produkte präziser und in natürlicherer Sprache zu beschreiben. So fanden die Besucher mit vermehrter Wahrscheinlichkeit öfter jene Informationen bzw. Produkte, nach denen sie vorher via Suchmaschinen gesucht hatten. Auch die Entwicklung der Bounce Rate (barrierefrei: 37,6%; nicht barrierefrei: 49,1%) unterstützt diese Annahme.

Fazit

Durch die Einführung der Barrierefreiheit konnte für sämtliche untersuchte Metriken eine positive Entwicklung beobachtet werden. Inwiefern diese Verbesserung rein auf die zusätzliche Barrierefreiheit oder auf die durch Barrierefreiheit bewirkte Verbesserung der Usability zurückzuführen ist, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Weiters beruhen die gewonnen Daten auf der Untersuchung einer einzlenen Website und sind somit nur schwer generalisierbar. Klar ist jedoch, dass die gewonnenen Daten erste positive Anreize zur Implementierung von Barrierefreiheit für Unternehmen geben können und den wirtschaftlichen Erfolg einer barrierefreien Website dokumentieren.

Abschließend bleibt anzumerken, dass die Steigerung der Besucherzahlen- und aktivität nicht automatisch mit einer Steigerung des Umsatzes gleichzusetzen ist. Sie ermöglicht primär einen vergrößerten Absatzmarkt für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Allerdings zeigte sich das Unternehmen im Fokus dieser Studie mit der Entwicklung der website-generierten Umsätze mehr als zufrieden…

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